Kinderarmut im reichen Stormarn?

Birgitt Zabel und Stephanie Wohlers stellen den neuen Armutsatlas vor

Der Kinderschutzbund Stormarn hat gerade eine neue Auflage seines Armutsatlas drucken lassen und plant, diese in den nächsten Wochen wieder kreisweit an Interessierte zu versenden. Zahlen und Fakten zur Kinderarmut in Deutschland und im Kreis Stormarn werden ergänzt durch Schaubilder und der „Kinderarmuts-Karte“ des Kreises, in der die Kommunen mit dem Anteil der Kinder, die in einer Armutssituation leben, dargestellt ist.

Birgitt Zabel, erste Vorsitzende des Kinderschutzbundes stellt den Armutsatlas vor: „Es gib immer noch zu viele Kinder in unserem Kreis, die als arm gelten. Die Zahlen der letzten Jahre sind leider stabil geblieben, jedes fünfte Kind ist betroffen. Nicht genug, dass diese Kinder auf vielfältige Weise benachteiligt sind, nun leiden gerade sie aufgrund der Corona-Krise in besonderem Maße. Die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hat depressive Symptome, psychische Auffälligkeiten, Streit und schulische Probleme vor allem bei den Kindern festgestellt, die in sozial benachteiligten Familien aufwachsen. Wir fordern, diesen Kindern ausreichend finanzielle Mittel zukommen zu lassen und Hilfestellungen anzubieten, um die negativen Folgen der Corona-Krise abzufedern und deren Lebenssituation zu verbessern.“

Die Zahlen zur Kinderarmut in Deutschland und in Stormarn stagnieren auf einem hohen Niveau. Zwar sind saisonal leichte Änderungen zu erkennen, insgesamt ändert sich an der Zahl der Kinder in Armut aber wenig. Immer noch hat jedes fünfte Kind in Stormarn so wenig Geld zum Leben, dass es ein Anrecht auf staatliche Unterstützung aus dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ hat. In einigen Kommunen trifft dies sogar auf nahezu jedes dritte Kind zu (Glinde, Bad Oldesloe).

Die Bertelsmann Stiftung hat sich dem Phänomen Kinderarmut in mehreren Untersuchungen gewidmet. Sie stellt fest, dass Kinderarmut „begrenzt, beschämt und bestimmt“. Es ist nicht einfach nur wenig Geld in der Familienkasse. Vielmehr ist Tatsache, dass Kinder aus armen Familien von sehr vielen Aktivitäten, die unter Gleichaltrigen „normal“ sind, ausgeschlossen sind. Dazu kommt, dass sie sich oft ihrer Situation schämen, z.B. wenn sie Freunde mit nach Hause nehmen, weil es dort zu ärmlich aussieht. Dies führt zu Rückzug und zu einem Außenseiterleben, dem die Kinder so leicht nicht entkommen können.

Um die Situation für Kinder zu verbessern, gibt es verschiedene Ansatzpunkte: auf Bundesebene plant die Regierung, alle staatlichen Sozialleistungen in einer Kindergrundsicherung zusammenzufassen. Diese soll dann auch spürbar höher ausfallen als die jetzigen Leistungen.

„Auf kommunaler Ebene erwarten wir, dass im Kreis und in den Kommunen armutssensibel gehandelt wird,“ so Birgitt Zabel. „Damit meine ich einerseits, dass alle Menschen in der Verwaltung und in Institutionen respektvoll auch mit Menschen umgehen sollten, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Andererseits sollten viel mehr Leistungen kostenfrei angeboten werden, z.B. Zuzahlungen in Kita und Schule, kulturelle Veranstaltungen oder Ferienangebote. Nur dann kann es echte Teilhabe in der Gesellschaft geben. Konkret fordern wir zudem, dass es eine regelmäßige Armutsberichterstattung im Kreis geben soll und dass die Hilfeinfrastruktur für arme Kinder und ihre Familien ausgebaut wird.“